für Orchester |
2005 |
Besetzung: 2.3.3.2 – 4.2.3.1 – Pk.2Sz – Str (14.14.12.10.8) |
~23' |
Das strukturelle Fundament des ersten Satzes von Von der Natur des Menschen wird vom Auf und Ab durchs ganze Orchester ziehender Glissandi gebildet. In größter Ruhe beginnend, beschleunigt sich der Puls mit jeder Phase bis zu einer normalen Atemfrequenz. Der Satz endet mit einem (aufgeschreckten?) nur drei Achtel kurzen Luftholen des Orchesters, dem ein 11 Achtel langes erstarrtes Innehalten folgt. Nur ein extrem leiser Paukenwirbel leitet in den attacca anschließenden Hauptsatz.
Das Klangbeispiel auf den Seiten dieses Werkes (s.o.: TON) präsentiert die ersten 23 Takte des ersten Satzes.
Am Beginn der Beschäftigung mit meinem dritten Werk für großes Orchester stand ein Fundstück: die Filmaufzeichnung eines öffentlichen Streitgesprächs zwischen Michel Foucault und Noam Chomsky, das diese 1971 in Eindhoven geführt hatten – d.h. eines knapp dreizehnminütigen Ausschnitts desselben.
(Sie finden diesen u.a. bei Google oder YouTube.)
War es der Gesprächsinhalt selbst, der zunächst dazu einlud, den als Video erhaltenen Teil der Diskussion einige Male anzusehen, so waren es die besonders stark differierenden Sprachmelodien beider Sprecher, welche eine musikalische Transformation besonders reizvoll erscheinen ließen. Zu allererst sind diese deutlichen phonetischen Unterschiede natürlich ein Resultat der Tatsache, dass beide Disputanten sich in ihrer jeweiligen Muttersprache äußern; doch auch ihr unverkennbar verschiedenes Naturell und ihr grundverschiedener emotionaler Zugang zu dem Thema hinterlassen unmissverständliche Spuren in der akustischen Kontur dieses bemerkenswerten Dialogs.
Aus der erwähnten Aufzeichnung wählte ich eine gut 8 Minuten lange Passage, deren Phonetik ich zunächst komplett transkribierte.
Das Verfahren der Transformation sei nun anhand eines kleinen Ausschnitts aus dieser Passage erläutert.
Wenn Sie den Mauspfeil über das Notenbild führen (und ein paar Sekunden warten), wird der als Beispiel gewählte Ausschnitt vergrößert.
Zunächst das Video des kurzen Beispiels:
Zum Mitlesen der Wortlaut desselben:
Vor den Tonhöhen wurde der Rhythmus notiert, wobei es galt sinnvolle metrische Gliederungen zu finden. Da für die rhythmische Notation einerseits größtmögliche Präzision angestrebt wurde (d.h. nur unwesentlich simplifizierend), andererseits aber auch möglichst konventionell notiert werden musste (schließlich sollte das Resultat von Orchestermusikern realisierbar bleiben), wurde nach sinvollen Taktwechseln gesucht, die es erlaubten, Schwerpunkte der Diktion auch auf oder in die unmittelbare Nähe von Taktanfängen gelangen zu lassen ohne die Vorlage manipulieren zu müssen.
Zur Verdeutlichung ein Tonbeispiel des gleichen Ausschnitts mit unterlegtem "intelligentem Metronom":
Zum Verfolgen noch einmal der entsprechende Ausschnitt aus dem Skizzenbuch mit dem Transkriptionsresultat:
Die Projektion der chromatischen Transkription auf die jeweilige Skala und die anschließende Transformation in einen polyphonen Orchestersatz illustriert anhand der ersten Worte jedes Sprechers die folgende Tafel:
Den gesamten verbalen Text der vertonten Diskussionspassage (mit Übersetzung) finden Sie hier .